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Warum brauche ich hier einen Rollstuhlwendebereich?

...von Nutzungsneutralität, Normen und einem Nein


Neulich hatte ich mal wieder einen echt spannenden Termin im Musterhaus.


Warum spannend?


Naja, normalerweise laufen meine Termine eher harmonisch ab, Wünsche werden besprochen, Ideen durchgegangen und nach gemeinsamen Lösungen gesucht. Klar, gibt es auch Diskussionen, aber es wäre ja auch fast seltsam, wenn bei so einem großen Projekt von Anfang an alles passen würde und jede Meinung gleich wäre.


Nun, irgendwie war dieser Termin von Anfang an anders.


Zentraler Wunsch und Hauptgrund des Gesprächs war, ok, neben dem Wunsch ein Haus zu bauen, das Thema der EH 40 NH Zertifizierung.

Ich wähnte mich sicher, hey, schließlich habe ich darüber schon Stunden recherchiert, super Fachleute im Hintergrund und somit stehe ich nicht ganz blank da.

Tja…

Und da traf ich ihn… meine große Herausforderung an diesem Tag – nennen wir ihn Mr. Y.


Frau Ebner, warum… - das möchte ich so aber nicht“, war von nun an der zentrale Satz des Gesprächs.


„Frau Ebner, warum muss ich eine Nutzungsneutralität aller Hauptwohnräume aufweisen, wenn ich das so gar nicht bauen will“

„…warum sollte ich mein Haus später barrierefrei nutzen wollen, ich bin aktuell noch fit und es geht keinen was an, was später einmal ist“

„… warum brauch ich hier einen Rollstuhlwendebereich, ich habe doch keinen Rollstuhl“

„… warum kann die Treppe nicht direkt neben der Haustüre enden? Das ist doch mein Wunsch-Grundriss“


Puh… Naja, da ich echt lange geduldig bin, war jedes Mal meine Antwort, dass dies nun einmal ausschlaggebende Kriterien für die EH40NH Förderung sind.


Aber ihr ahnt es schon, wir haben keinen gemeinsamen Nenner in diesem Fall gefunden.

Mr. Y wollte unbedingt diese Förderung und schriftlich von uns bestätigt, dass er diese auch bekommt, sah aber nicht ein, auch nur eines der geforderten Kriterien dafür zu erfüllen, vor allem das Thema Barrierefreiheit war einer seiner Knackpunkte: „Aber Frau Ebner, das macht gesamt das Haus doch einfach größer, so einen Quatsch brauch ich nicht“


Was sollte ich nun machen?


Barrierefreiheit ist nun einmal essenzieller Punkt der Nachhaltigkeitszertifizierung.


„Unser Ziel des Kriteriums „Barrierefreiheit“ ist es, die gesamte gebaute Umwelt jedem Menschen, unabhängig von seiner persönlichen Situation, uneingeschränkt zugänglich und nutzbar zu machen.“




Was heisst das aber nun genau für die Grundrissplanung?

Also, Kriterien für den 1-Punkte-Standard (Stand der Technik) sind, und dies ist verpflichtend, sonst gibt es keine Zertifizierung:

Die Nutzungsneutralität aller Hauptwohnräume ist gegeben, bzw. es liegt eine offene Grundrissgestaltung mit variablen Nutzungsmöglichkeiten und nicht spezifisch festgelegten Funktionen vor. Es liegt ein Konzept vor, um das Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt möglichst barrierearm umzurüsten.


Also: Nutzungsneutralität und barrierearm, was bedeutet das?


Nutzungsneutralität

Die Grundrissgestaltung ist offen und variabel nutzbar. Räume sind nicht nur spezifisch, sondern zu einem späteren Zeitpunkt auch für eine andere Funktion nutzbar. Raumtrennungen können einfach eingezogen werden.


Nehmen wir z.B. einmal das klassische Büro im Erdgeschoss.



Wenn diese nur 8m² aufweist, ist es nur schwer später als barrierefreies Schlafzimmer nutzbar.

Oder ein Wohn-Ess-Küchenbereich, der aktuell offen geplant ist, aber auf Grund seiner Größe/Lage nicht abgetrennt werden kann.


Diese Räume sind dann nicht nutzungsneutral, sondern nur für die Nutzung als Büro/Wohnbereich ausgelegt.


Warum spielt die Nutzungsneutralität eine große Rolle?

Es gibt, bzw. gab schon immer viele Aspekte, die das Wohnen beeinflussen.

Angefangen bei dem Thema der körperlichen Voraussetzung. Klar wird das Haus heute geplant, ihr seid im besten Falle fit, könnt euch super bewegen. Ihr seid im Stande, euer Haus alleine (oder zu zweit 😉) zu pflegen oder auch putzen.


Auch das Thema Beziehung und Familie spielt hier natürlich eine Rolle, mit wem und wie vielen möchte, bzw. muss ich zusammenwohnen?




Was ist, wenn sich dies ändert, sei es durch Vergrößerung der Familie, das Alter, durch Krankheit oder durch Umstände, die ihr aktuell einfach nicht wisst.

Sind nun Grundsätze des barrierefreien Bauens, bzw. der Nutzungsneutralität bereits berücksichtigt, dann kann eine Anpassung oder ein aufwändiger Umbau weitgehend vermieden werden und ihr könnt trotzdem weiterhin in eurem Traumhaus wohnen bleiben.


Barrierearm

Dieser Begriff ist nicht allgemeingültig definiert, es wird damit gerade im Hausbau/Wohnungsbau aber ausgedrückt, dass die meiste Fläche barrierefrei nutzbar ist, es aber Bereich gibt, die nicht, bzw. nur bedingt genutzt werden können. So können Abstellräume z.B. nicht mit dem Rollstuhl zugänglich sein, oder es ist ein Treppenlifter nötig, um eine barrierefreie Nutzung des Hauses zu garantieren.




Ein paar Beispiele, alles in einem Grundriss:

2 Stufen vor dem Eingang – ok, diese können mit einem Treppenlifter nachgerüstet werden, allerdings ist kein Platz zwischen Lifter und Haustüre vorhanden, wo soll dieser also halten?


¼ gewendelte Treppe direkt neben der Haustüre – gleiches Thema, klar gibt es auch Treppenlifter, die für gewendelte Treppen geeignet sind, aber auch hier die Frage, wo soll der Treppenlifter halten? Vor der Haustüre?


Eingangsbreite 1m - um hier mit dem Rollstuhl gut ins Haus zu gelangen, bzw. die Haustüre öffnen zu können ist in Wendebereich von 150cm nach der Haustüre notwendig. Dazu müsste in diesem Fall die komplette Wand versetzt werden.


Ein Büro mit 8m² im Erdgeschoss ist zu klein um als Schlafzimmer genutzt zu werden und es ist dann zusätzlich auch nicht mit Rollstuhl zugänglich, da der Flur davor einfach zu schmal ist, ein Rollstuhl braucht nun einmal ca. die 150cm Wendebereich, und selbst diese sind teilweise echt knapp.


Nur kurz zur Erinnerung, dies sind nur die Punkte, die für eine 1-Punkte Bewertung in dem Bereich Barrierefreiheit nötig sind. Also einfach Pflicht.

Ziel und Sinn sollte natürlich sind, auch hier Zusatzpunkte zu erreichen um einen verbesserten Stand, bzw. bestmöglichen Stand zu erreichen, bzw. je weniger Punkte hier erreicht werden, desto mehr Punkte müssten natürlich in den anderen Kriterien, wie z.B. dem sommerlichen Wärmeschutz, Schallschutz o.ä. erreicht werden.


Da saßen wir nun also...


Mr. Y und ich – „So will ich das nicht“ gegen „wenn Sie die EH40 NH Förderung wollen, dann brauchen Sie das aber“


Und nein, wir haben in diesem Fall keinen gemeinsamen Nenner gefunden, was auch ok ist.


Denn so sehr ich auch alle Wünsche und Vorstellungen aufnehme, vorgeschriebene Bedingungen für Förderungen kann ich nicht einfach umgehen und möchte ich in diesem Fall auch nicht.


Denn meiner Meinung nach bringt eine Planung, die eine barrierefreie Nutzung als Ziel hat, im Alltag für jeden auch Vorteile - Ein großzügiger Eingangsbereich, in dem auch Einkäufe, Kinderwagen, Jacken einmal abgestellt werden können, ohne dass sie im Weg stehen, eine große begehbare Dusche oder auch ein stufenloser Eingang – diese Punkte sind in jeden Zuhause wertvoll.

Schließlich steckt ihr aktuell soviel Zeit, Liebe und Mühe in euren Grundriss und den Hausbau, da ist es doch umso schöner zu wissen, dass ihr euren Grundriss, euer Traumhaus dann auch auf viele Situationen anpassen könnt.








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